Essay: Stadtpartitur

Posted on Sep 18, 2014 in / Serial IFIT / Serial Publications

Stadtpartitur
Christopher Dell

Ausschnitt aus dem Essay:

< Zunächst die Einschränkung. Wenn ich an dieser Stelle im Konnex einer, vor dem Hintergrund des spatial turn geführten Diskussion der „Idee der Stadt“ von Stadtpartitur spreche, meine ich keine Darstellung von Klangereignissen in der Stadt noch interpretiere ich Stadt, im ästhetisierenden oder musikprogrammatischen Sinn, als Musik. Stadtpartitur entwickelt ihre Bedeutung vielmehr an dem, was ich musikalisches Raumdenken nenne. In nuce meint musikalisches Denken Musik als Verfahren, als Modell und als Referenzquelle heranzuziehen, um einen spezifischen Blick auf die Praxis des Urbanen zu erhalten. Warum eine solcher Vorschlag? Mit dem spatial turn ist angezeigt, dass Raum uns nicht gegeben, nichts Naturalisierbares ist, sondern, um mit Henri Lefèbvre zu sprechen, gesellschaftlich produziert wird. Damit wird auch Stadt nicht mehr als Behälter vorgestellt sondern geht in das Prinzip des Städtischen. Das Städtische emergiert als eine relationale Anordnung aus material-sozialen Konstellationen, Konfigurationen und Versammlungen, die im Prozess der Emergenz ein beständiges Redesign erfahren. Das aber rückt eine spezifische Form der Organisation von Raum in den Vordergrund, nämlich die performativ sich ereignende. Die Erkenntnis, dass Raum weder als (materielles) Objekt noch als reine Idee gefasst werden kann, Raum weder bloße Gegebenheit, äußerliche ‚Natur’ noch reine kulturelle Konstruktionsleistung darstellt, schafft die Grundlage dafür, dass sich die Analyse vermehrt auf die produktive Tätigkeit der Hervorbringung von Raum und weniger auf die kontemplativen Betrachtung des Produktes Raum richtet. Gefragt wir nicht mehr, was Stadt ist, sondern was Stadt macht. Diese These führt, eins weitergedreht, zu dem Kerngedanken, „dass performative Praktiken alltäglicher Improvisation als urbane Praxis die Bedingung dafür setzen, dass Stadt sich immer wieder neu ereignen kann. Improvisation als Handlungsverlauf lässt sich vor allem über die Musik erläutern – nicht als Metapher, sondern als Verfahren. Der Mehrwert einer Stadtpartitur würde dann darin bestehen, urbane Prozesse auf andere Weise sichtbar, erfahrbar und gestaltbar zu machen, und zwar indem ein „musikalisches Denken“ als Filter und Perspektive eingesetzt wird.“ Die Sichtbarmachung visuellen Strukturen der Phänomene urbaner Praxis bedürfen – als Prozesse – den Einbezug der Zeitlichkeit und der Handlungsdimension. >

„Stadtpartitur“, in: Andreas Denk/Uwe Schröder (Hg.), Stadt der Räume. Interdisziplinäre Überlegungen zum urbanen Raum, Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin.